Bericht über die Besteigung des 3.798 m hohen „Großglockner“ in den Hohen Tauern

durch den Pfarrer und Hauslehrer H. Findeisen aus Göllnitz bei Altenburg im Jahre 1855

[Auszugsweise Abschrift der handschriftlichen Aufzeichnungen von Balduin Gärtner; aus der Festrede zum 25jährigen Jubiläum der Sektion „Sachsen-Altenburg“ des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins.]
 

Um ein hohes Lied auf die Alpen anzustimmen und ihre Wunderwelt mit all den unbeschreiblichen Herrlichkeiten zu preisen, dazu fehlt heute die Zeit. Aber an einigen nicht wegzuleugnenden Tatsachen können wir auch am heutigen Festtage nicht achtlos vorübergehen. Da ist zunächst die eine Tatsache, daß es in unserer Gegend Alpenfreunde gegeben hat schon lange zuvor, ehe der D. u. Oe. A.V. hier einen festen Fuß fand.

Wie viele haben seit der Gründung der Sektion Sachsen-Altenburg den Großglockner und andere hohe Berge der Alpen bestiegen. Aber ihre Hochwanderungen sind nicht zu vergleichen mit der Glocknerbesteigung, die ein Sachsen-Altenburger, der nachmalige Pfarrer H. Findeisen in Göllnitz 1855, also vor fast 80 Jahren unternommen und glücklich durchgeführt hat. Wenn das bekannte Familienblatt „Daheim“ 1865 schrieb, daß von 1847 - 1864 von Heiligenblut aus 121 Bergsteiger es versucht hatten, den Großglockner zu bezwingen, daß es jedoch nur 5 gelungen sei, auf seiner Spitze zu stehen, so gehört der damalige aus Ungarn und Kroatien wieder heimkehrende Hauslehrer H. Findeisen zu diesen 5 Glücklichen.

Er hatte tatsächlich von Glück zu reden. War er doch nur mit einem Leinwand-Anzug bekleidet und trug er doch nur Stiefeletten an den Füßen. Weder Wettermantel noch Steigeisen hatte er fürsorglich mitgenommen. Nur der Wirt von Heiligenblut, bei dem er Einkehr gehalten, hatte seinem Knechte, der ihn mit noch 2 Führern begleitete, eine warme Jacke für den fremden Wagehals mitgegeben. Am Sonntag, dem 20. August, abends 5 Uhr, waren sie aufgebrochen und andern Tags, abends 7 Uhr, hatten sie bei strömendem Regen Heiligenblut wieder erreicht. In der Nacht hatten sie nur 3 Stunden in einer Sennhütte übernachtet, hatten eine wundervolle Fernsicht auf dem Glocknergipfel genossen, waren aber dann durch ein heraufziehendes Hochgewitter verjagt worden, das mit einem entsetzlichen Schneesturm unterhalb der Adlersruhe, wo noch kein Schutzhaus stand, begonnen hatte und unterhalb der Gletscher gewaltige Regenmassen auf die Bergsteiger ausgeschüttet hatte. In 26 Stunden war die alpine Großtat ausgeführt worden. Allerdings die Stiefeletten waren zum Teufel gegangen.

Und nun vergleiche man dieses Unternehmen des damals 31 Lenze zählenden Mannes mit den Glocknerbesteigungen unserer Tage! Ein Kranz von Schutzhäusern umgibt den Großglockner bis hinauf zur Adlersruhe. Sie bieten den Bergfreunden Obdach und Erquickung. Bei halbwegs günstigem Wetter ist es gegenwärtig ein Leichtes, den Großglockner als höchsten Berg der Ostalpen zu erklimmen. Wem aber ist das zu danken? Doch gewiß nur dem D. u. Oe. A.V. .

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