Vortrag vom 28. Juli 1928 im Alpenverein Altenburg.
Dort berichtete Studienrat Dr. Robert Dölle aus Altenburg über seine in den Jahren 1909 bis 1914 unternommen Bergfahrten in die Hohe Tatra.

[Abschrift eines Artikels aus der „Altenburger Zeitung“ vom Juli 1928]

Den Vortrag am Montage hielt Dr. Dölle. Er erzählte von seinen Pfingstfahrten in die Hohe Tatra, die er in den Jahren 1909 bis 1914 unternommen hatte, und schilderte zunächst die Anmarschwege dahin. Ueber Breslau fährt man nach Oderberg und von da mit der Kaschau-Oderberger Bahn bis Csorba oder Poprad-Felka und besteigt von hier die Tatra von Süden, oder man erreicht sie von Norden her über Zakopane. Die Tatra, die sich mit ihren 2300 bis 2660 Meter hohen Spitzen 26 Kilometer lang erstreckt, erscheint von der Zipser Ebene wie eine Gebirgsinsel, wie ein Stück der Alpen, das mitten in die Ebene gesetzt ist. Die Tatra trägt rein alpinen Charakter. Gemsen, Murmeltiere und Adler sind nicht selten, auch Steinböcke, Bären, Luchse und Wildkatzen gibt es. Einen besonderen Schmuck bilden die über 100 Seen, die ihren Ursprung der früheren Vergletscherung verdanken. Von Csorba ging es mit der Zahnradbahn zum Csorber See, dem größten auf der Südseite der Tatra. Seine prächtigen Hotelbauten wimmeln im Sommer von eleganten Kurgästen. Von hier aus wurde der östlichste Gipfel der Tatra, der Krivan (2500 Meter) bestiegen, von dem man eine überwältigende Aussicht auf die grüne Zipser Ebene und das dahinterliegende ungarische Erzgebirge hat. Dann wurde in der am lieblichen Popper See gelegenen Majlathhütte Quartier genommen. Das Mengsdorfer Tal aufwärts ging es zu den Froschseen. Eine steile Felswand mußte bei nassem Neuschnee erklommen werden, um zum Hunfalvyjoch (2343 Meter) und von da auf die Meeraugspitze (2503 Meter) zu kommen. Die Aussicht ist einzig schön; alle wichtigen Gipfel der Tatra und 13 Seen sind zu erblicken. Den Glanzpunkt bildet der Blick auf den 1000 Meter tieferliegenden Fischsee und das Meerauge, der eine freundlich hellgrün, das andere schwarz und düster. Von der Majlathhütte ging es in steilen Kehren hinauf auf die Osterva und über gewaltige Granitblöcke auf Tupa und Koncysta. Nach manchen Schwierigkeiten konnte man sich am Wasser des stillen Botzdorfer Sees am Fuße der Gerlsdorfer Spitze laben und im Schlesierhaus am Felker See fand man die wohlverdiente Ruhe nach den Anstrengungen des Tages. Am anderen Morgen stieg man an der Granatenwand, unter dem ewigen Regen hindurch, hinauf zum vereisten Langen See und zum Polnischen Kamm, der das Felker Tal nach Norden abschließt. Im Sommer ist die Ersteigung der Kleinen Viszoka von hier aus nicht schwer; aber bei den winterlichen Verhältnissen, die Pfingsten in der Tatra noch herrschen, war äußerste Vorsicht geboten. Beim Abstieg war man nach lustiger Abfahrt bald wieder am Langen See und am Schlesierhaus. Auf gutem Wege erreichte man bald Schmecks, das eleganteste Modebad der Tatra. Bergwanderer finden in Touristenhäusern gute und billige Unterkunft. Eine Drahtseilbahn führt von hier auf das Kämmchen am Eingang zum Kohlbachtal, wo die wundervollen Kohlbachfälle zu sehen sind. Von Schmecks fuhr man dann mit der elektrischen Bahn nach Poprad, von wo am anderen Tage die Rückfahrt angetreten wurde, denn die Ferien neigten sich ihrem Ende zu. In Kralovan wurde die Fahrt nochmals unterbrochen, um Arvavaralja zu besichtigen, eine der schönsten Burgen Ungarns. Von Kralovan erreichte man zu Fuß Ruttka, wo man sich noch einmal an den vorzüglichen ungarischen Nationalgerichten labte. Dann trug uns der Zug heimwärts; es galt, Abschied zu nehmen von den Kattowitzer Freunden. Ein Wiedersehen in der Hohen Tatra im nächsten Jahre wurde vereinbart; der Weltkrieg hat aber alle Pläne vereitelt. ? Mit diesem Vortrage wußte der Redner in so manchen Herzen die Sehnsucht nach der Hohen Tatra zu entfachen und erntete dafür wohlverdienten, reichen Beifall.

zurück